Vier unserer Athletenhaben den Meistergrad absolvieren. Für die Kampfkünstler ist der Erfolg ein zentraler Schritt. Marion Bässler vom Allgäuer Anzeigeblatt hat Simon, Fiona, Christian und Andreas interviewt und dokumentiert ihre Wege zur Leidenschaft.
Lange hat es gedauert, bis die Karateka des TV Stein erstmals wieder richtig trainieren durften. Und das lange Warten hat sich für die Kampfkünstler gelohnt: Eine kleine Gruppe des Oberallgäuer Dojos ist gleich noch einen Schritt weitergegangen und nach Nürnberg gefahren, wo eine der wenigen Gürtelprüfungen des laufenden Sportjahres stattfand.
Trotz der langen Pause haben Cordula Rohr (55), Fiona Rohr (23) und Simon Rohr (19) sowie Andreas Rogg (59) und Christian Schart (34) ihre erste Schwarzgurt-Prüfung bestanden. Während es für die vier letztgenannten der sportliche Meilenstein, der symbolische Schritt vom Schüler zum Meister war, kann Cordula Rohr bereits ihren zweiten Schwarzgurt vorweisen.
Rückkehr nach über 30 Jahren Pause
Der 59-jährige Rogg war mehr oder weniger der Initiator der Aktion. „Jetzt oder nie“, dachte sich Rogg, als er von dem Prüfungstermin erfuhr – also informierte er sogleich die anderen Mitglieder seines Dojos über die „günstige Gelegenheit“. Rogg selbst hat zwar schon vor über 40 Jahren, mit 17, mit der asiatischen Kampfkunst angefangen, musste vier Jahre später jedoch aus mehreren Gründen mit dem Training aufhören. Erst als er vor sechs Jahren unter starken Rückenproblemen litt, ging er wieder regelmäßig ins Karate-Training.
Die Idee, auf diese Weise auch gemeinsam mit seinem Sohn etwas unternehmen zu können, ging zwar nicht auf, „für mich war es aber toll, denn ich habe, seitdem ich wieder mit Karate begonnen habe, keine Rückenprobleme mehr“, erzählt Andreas Rogg. Während der Sohn nach dem Schnuppertraining wieder aufhörte, begeisterte sich jedoch die Ehefrau von Andreas Rogg so sehr für die Kampfkunst, dass sie selbst im kommenden Jahr ihre Schwarzgurt-Prüfung anpeilt. Neben dem körperlichen Aspekt gefällt Rogg vor allem die Arbeit an Geist und Persönlichkeit, die man mit der Kampfkunst zugleich ausübt. „Karate ist ein Lebensweg, an dessen Anfang und an dessen Ende Respekt steht“, beschreibt Rogg.
Auch seine Dojo-Kollegen haben die Sportart nicht nur aus sportlichen Aspekten ausgewählt. Im Steiner Club schätzen sie alle die Möglichkeit des gemeinsamen Trainings. Während Roggs Kollege Christian Schart zudem den krassen Kontrast zwischen Härte und Kampf auf der einen sowie Weichheit und Lockerheit auf der anderen Seite hervorhebt, genießt Fiona Rohr den respektvollen Umgang untereinander und die gegenseitige Unterstützung, die man von anderen Karateka erfährt.
Durch den Opa zur Kampfkunst
„Durch Karate habe ich viele Freunde in ganz Deutschland gefunden. Ich freue mich immer, wenn ich Mitstreiter bei den Wettkämpfen treffe“, sagt die 23-Jährige. Zudem sei der Karatesport ein willkommener Ausgleich zum Alltag. „Ich kann abschalten. Die Sorgen und Probleme sind – wenn auch nur kurz – während des Trainings weg“, beschreibt Christian Schart. Er selbst ist als 13-Jähriger durch seinen Opa, der als Rentner seine Vorliebe für die Kampfkunst entdeckte, zum Karate gekommen.
Im Leben des 34-Jährigen gab es zwar Phasen, in denen er wenig oder gar nicht trainiert hat – und doch hat er den Weg zurück immer wiedergefunden, einfach, „weil es mir guttut“. Als Teenager fand Schart es zudem „spannend, gemeinsam mit meinem Opa, einem End-Sechziger, Sport treiben zu können.“ Heute versucht der 34-Jährige seinem Sport eine eigene Akzentuierung zu verleihen und damit die nächste Stufe im Karate zu erreichen. Mit Spannung und Feingefühl versucht Schart seine Art des Kampfsports zu erkennen. „Mir ist vor allem die Atmung sehr wichtig“, sagt er.
Während sein Vereinskollege Andreas Rogg nach seinem Neuanfang anfangs lediglich den Braun-Gurt angepeilt hat, hatten Fiona Rohr und Christian Schart schon länger den Schwarz-Gurt im Visier.
Rohr-Familie lebt für die Kampfkunst
Fiona Rohr stammt aus einer richtigen Karate-Familie. Sowohl ihre Eltern als auch ihre beiden Geschwister sind aktive Karateka. Wer auf den Gedanken kommt, sie wäre dazu gedrängt worden, irrt dennoch. Im Gegenteil. Die 23-Jährige fing erst vor zehn Jahren mit der Kampfkunst an, da ihre Mutter nicht wollte, dass ihre Tochter zu früh einsteigt. Simon, der Jüngste der Familie, war der erste der drei Kinder, der in die sportlichen Fußstapfen seiner Eltern trat, dann folgten seine beiden Schwestern.
Der 19-Jährige, inzwischen südbayerischer Meister, geht zudem für die Basketballer des TSV Sonthofen in der Bezirksoberliga auf Korbjagd. Und obwohl seine Schwester Fiona mittlerweile in Stuttgart studiert, möchte auch sie unbedingt „dranbleiben“ an ihrem geliebten Sport. Auch wenn der Trainingsrhythmus im Lockdown stark gelitten hat, hat es der Studentin gutgetan, mit der Gürtelprüfung ein Ziel zu haben.
Und so kam der große Prüfungstag in Nürnberg für sie, wie auch für ihre Kollegen vom TV Stein, mit einer großen Portion Nervosität. Die einführenden Trainings, die von weither angereisten Sportler und die Atmosphäre waren für Fiona Rohr „ein echtes Highlight. Besonders cool fand ich, dass wir die Prüfung zusammen als Familie machen konnten“, sagt die 23-Jährige, die Bruder und Mutter bei dem Meilenstein an der Seite hatte, versteht sich.