Die Halle surrt nur so vor Aufregung, Kampfschreien, Wortfetzen in allen möglichen Sprachen, 1000 Zuschauern und der wiederkehrenden – immer aggressiver werdenden – Ermahnung des Wettkampfleiters, Unbeteiligte mögen doch bitte das Gebiet der Kampffläche räumen. In der vorderen linken Ecke der Halle hängt eine Deutschlandflagge an der Wand und darunter die deutsche Karateelite mit Bundeskadertrainer Markus Rues. Die besten 27 deutschen Karatekas wurden auserwählt, ihr Land auf der internationalen Ebene der Jugend Karate EM in Kadan, Tschechische Republik, zu vertreten und sind nun angetreten, um ihre Trainingserfolge der letzten Monate zu präsentieren. Unter diesen Juwelen auch zwei Steiner: Simon Rohr und Valentin Hausser.
Dank dem intensiven Training unter Abteilungsleiter Dr. Martin Daumiller und mehreren überzeugenden Auftritten auf den letzten nationalen Meisterschaften, hatten die beiden Steiner es geschafft sich für diesen Wettkampf zu qualifizieren. Der erste Auftritt auf internationalem Parkett für Hausser und der zweite für Rohr, der bereits letztes Jahr unter deutscher Flagge auf der Europameisterschaft in Serbien starten durfte. „Natürlich ist es auf jeder Meisterschaft unser Ziel, unser Können möglichst gut abzurufen und uns gegen die Gegner behaupten zu können, doch hier war es für uns bereits ein großer Erfolg ausgewählt worden zu sein starten zu dürfen“, stellt Rohr klar.
Der erste Wettkampftag begann um 9.00 Uhr morgens, doch die zwei Allgäuer hatten laut Zeitplan ihren ersten Auftritt erst um 14.00 Uhr. Also warten, warten, warten und der schwierige Kampf gegen die Aufregung, die in der Halle geradezu greifbar war.
„Es war sehr anstrengend den ganzen Tag bei einem Höllenlärm in der Halle zu sein und sich nicht durch all die anderen verrückt machen zu lassen. Im Endeffekt war das eigentlich schwieriger als die Kämpfe selbst“, so Rohr.
Bei so einem großen Turnier läuft auch nicht immer alles reibungslos: Leider waren die Veranstalter zwei Stunden hinter dem Zeitplan, wodurch die beiden die ganze Zeit versuchten warm zu bleiben, um bestvorbereitet in ihre Kämpfte zu starten. Das Aufwärmen und Bereit-Sein ging natürlich an die Substanz und so starteten beide nicht mit ihrer gewöhnlicher Kraft.
Für Hausser, der bei den 16jährigen startete, war es zudem eine mentale Herausforderung:
„Mich haben die fast 600 leistungsstarken Athleten auf höchstem Niveau wirklich nervös gemacht. Das hat sich über die Stunden hinweg bei mir so angesammelt und so konnte ich meine Trainingsleistungen überhaupt nicht abrufen. Das ist natürlich erstmal sehr frustrierend, aber ich habe internationale Erfahrungen sammeln können und werde hoffentlich beim nächsten Mal trotz der Aufregung, die ein Wettkampf von dieser Größe mit sich bringt, Höchstleistungen bringen können. “
Rohr hingegen war dem Kampf gegen die Nerven durch seine Erfahrungen im letzten Jahr schon etwas besser gewachsen, doch auch er hatte einen schlechten Tag erwischt und schaffte es nicht seine Leistungen wie gewohnt auf die Matte zu bringen. So stand sowohl für Hausser, als auch für Rohr in Kata (Kampf gegen einen imaginären Gegner) bereits nach der Vorrunde das Aus fest.
Jetzt hieß es nochmal Zähne zusammenbeißen, die Niederlage innerhalb weniger Minuten abschütteln und sich auf den nächsten Kampf konzentrieren. Beide hatten nämlich in ihrer Paradedisziplin Kumite (Kampf gegen einen realen Gegner) ihre zweite Chance.
Hausser startete Hausser gleich mit einem Kampf gegen einen Tschechen, der das Publikum im Rücken und einen großen Heimvorteil hatte.
Der Kampf ging langsam los, beide sondierten zunächst die Lage und verschafften sich ein Bild des Gegners. Der Tscheche beendete dieses aber schneller und überraschte Hausser mit blitzschnellen Angriffen, die ihn überrumpelten und für ihn ein vorzeitige Ausscheiden aus dem Turnier bedeuteten.
Hausser dazu: „Es ist natürlich schade, dass meine Kämpfe nicht gut liefen, allerdings hatte ich nicht einmal damit gerechnet überhaupt mitfahren zu dürfen. Deshalb bin ich einfach nur glücklich Teil der deutschen Delegation gewesen zu sein. Das war für mich eine riesige Ehre!“
Rohr, der bei den 17järhigen startete, schlug sich ebenfalls gegen einen Tschechen wacker und zeigte einen ausdauernden und kraftvollen Kampf, den er am Ende aber leider knapp verlor:
„Mein Gegner hatte mir gegenüber einen gigantischen Vorteil, da er zwei Köpfe größer war, da musste ich immer doppelt auf der Hut sein, da er mit einem Schlag sehr weit kam.“
Nach diesem langen und anstrengenden Wettkampftag stand dann schon der zweite Wettkampftag mit den Teamwettbewerben an. Die Steiner Helden gingen nicht davon aus, dass der Bundestrainer sie für ein Kumite Team einplante, doch Hausser hatte Glück: „Ich war sehr stolz, dass man mir trotz meines Versagens am Samstag nochmal das Vertrauen zukommen ließ, als dritter Mann im Kumite Team zu starten! Das hat mir nochmal ordentlich Selbstvertrauen gegeben!“
Angespornt durch diesen „Ritterschlag“ durch Rues startete Hausser mit zwei Teamkollegen aus Konstanz und aus Magdeburg voll durch und legten gute Kämpfe hin, die aber gegen die starke Konkurrenz aus Osteuropa nicht gut genug waren.
Trotz fehlender Podestplatzierungen konnten beide das Wochenende genießen, gerade durch die große Anteilnahme an ihrem Wettkampf:
„Für mich war die Gemeinschaft im Bundeskader toll, alle sind füreinander da, feuern sich an, muntern sich nach einer Niederlage auf und feiern den Erfolg. Aber auch vom Verein zuhause erhält man eine großartige Unterstützung, die einen wirklich pusht! Das war für mich besonders schön!“, so Rohr. Hausser fügt hinzu: „Meine Familie ist extra für den Wettkampftag angereist, das hat mir sehr viel Kraft gegeben!“
Ihre hohen Ambitionen konnten beide definitiv nicht erreichen aber trotz allem war es eine gute Erfahrung, internationale Wettkampfluft zu schnuppern und Karatekas aus 19 verschiedene Nationen zu treffen, denn: Dabei sein ist alles!
Text: Marie-Theres Hausser